Ausbildungsunterhalt

 nach dreijähriger Verzögerung der Ausbildungsaufnahme

Mit dem Beschluss vom 05.02.03.2013, Az.: 7 UF 166/12 entschied das OLG Hamm über die Reichweite des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt.

Der Antragsteller (Vater) hat um den vollständigen Wegfall eines durch den gerichtlichen Vergleich titulierten Kindesunterhalts in Höhe von 200 % des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle nachgesucht und sich dabei auf fehlende Bedürftigkeit, mangelnde Eignung zum Studium, Obliegenheitsverstöße und Verwirkung berufen.

Die am 06.01.1988 geborene Antragsgegnerin (Tochter) absolvierte im Sommer 2008 das Abitur mit der Note 3,2. Danach entschloss sie sich in den Niederlanden Tourismus- und Freizeitmanagement zu studieren.

In 2008/2009 wurde die Antragsgegnerin durch den Antragsteller aufgefordert, Leistungsnachweise über das aufgenommene Studium vorzubringen. Insbesondere zweifelte der Antragsteller an, dass das Studienziel erreicht bzw. erreichbar sei. Der Aufforderung die Leistungsnachweise vorzulegen kam die Antragsgegnerin nicht nach. Stattdessen gab sie das Studium zum Jahresanfang 2010 auf.

Nach dem Abbruch des Studiums absolvierte die Antragsgegnerin ein mehrmonatiges Praktikum und verdiente dabei € 400,00 monatlich. Über diesen Verdienst unterrichtete sie den Antragsteller erst nach dessen Aufforderung.

Nach dem Abschluss des Praktikums fasste die Antragsgegnerin den Entschluss auf, Journalistik zu studieren. Sie war von Ende 2010 bis Mitte 2011 in Australien, um per „work und travel“ ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Mitte 2011 absolvierte die Antragsgegnerin ein sechswöchiges Praktikum bei einem Nachrichtensender und nahm Ende Oktober 2011 das Journalistikstudium auf.

Das erkennende Gericht hat dem Begehren des Antragstellers nicht abgeholfen und ihn zur weiteren Leistung des Ausbildungsunterhalts verpflichtet. Seine Entscheidung begründete das erkennende Gericht u. a. wie folgt:

  1. Der Anspruch der Antragsgegnerin folgt aus § 1610 BGB. Danach umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf, einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf.
  2. Die Antragsgegnerin ist auch als für das aufgenommene Studium geeignet anzusehen. „Das Abitur an sich gilt schon als eine „Eintrittskarte“ für ein Studium. Eine „Graduierung“ durch die Abiturnote gibt es nicht, genau so wenig wie ein Abitur der ersten oder der zweiten Klasse“ (OLG Hamm, Az.: 7 UF 166/12).
  3. Die Antragsgegnerin hat auch nicht gegen die sie treffende Ausbildungsobliegenheit – die Ausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit zu betreiben und in angemessener und üblicher Zeit zu beenden – verstoßen. „Von einem jungen Menschen kann nicht unbedingt von Beginn an eine zielgerichtet richtige Entscheidung in der Frage der Berufswahl erwartet werden. Dem Kind ist deshalb in der Regel eine Orientierungsphase zuzubilligen, deren Dauer unterschiedlich ist und sich nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen richtet“ (OLG Hamm, Az.: 7 UF 166/12).
  4. Auch die Verletzung der Informationsobliegenheit durch die Antragsgegnerin führt nicht zum Wegfall der Unterhaltspflicht. Ein sich in der Ausbildung befindliches Kind ist gehalten, zeitnah über zurückgelegte Ausbildungsabschnitte und absolvierte Prüfungen, sowie deren Ergebnis zu informieren. Die Verletzung dieser Obliegenheit führt allenfalls dazu, dass der Unterhaltsschuldner sein Zurückbehaltungsrecht ausüben darf, nicht jedoch zum Wegfall der Unterhaltspflicht.
  5. Der Anspruch der Antragsgegnerin auf Ausbildungsunterhalt ist auch nicht nach § 1611 BGB verwirkt. Die Verwirkung i. S. d § 1611 BGB setzt eine vorsätzliche schwere Verfehlung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen voraus, die seine Inanspruchnahme grob unbillig mache.

Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin ihren Vater in Bezug auf die Studienerfolge des Erststudiums belogen, sowie ihre eigenen Bezüge verschwiegen. Solches Verhalten der Antragsgegnerin führte jedoch nicht zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Begründet es das erkennende Gericht damit, dass „mit der Aufnahme des neuen Studium eine neue Situation eingetreten ist und es der Antragsgegnerin zuzubilligen sei, das neue Studium nun zügig zu Ende zu führen, wozu es dann auch einer Alimentation durch den Antragsteller bedarf“ (OLG Hamm, Az.: 7 UF 166/12).

Frau Rechtsanwältin Oleksandra Cofala empfiehlt:

In dem Beschluss vom 05.02.2013 machte das OLG Hamm erneut deutlich, dass sich ein Elternteil der Unterhaltspflicht nur dann entziehen kann, wenn es leistungsunfähig ist. Der Anspruch des Kindes auf Ausbildungsunterhalt fällt auch dann nicht weg, wenn sich das Kind eine dreijährige Orientierungsphase gönnt oder seine Informationsobliegenheiten verletzt.