Zwei Tage nach Weihnachten schrieb Helga H. einen Brief an Anton und Anna A.:

„Ich möchte mich für die liebevolle Aufnahme am 1. Weihnachtag recht herzlich bedanken. (…)

Im neuen Jahr gehe ich mit Toni zum Notar; Ihr allein sollt meine Erben sein. Meine Patin kümmert sich überhaupt nicht um mich, da ist jede Verbindung abgebrochen. (…)“

Am 20 September 2019 sollte der Beurkundungstermin bei dem Notar stattfinden. Laut dem Testament im Entwurf sollten Anton und Anna A. zu Alleinerben nach Helga H. berufen werden.

Zum Beurkundungstermin kam es jedoch nicht. Wenige Tage zuvor stürzte Helga H. schwer und verstarb kurz darauf an den Folgen des Sturzes.

Anton und Anna A. beantragten beim Nachlassgericht unter Bezugnahme auf den Brief der Erblasserin von 27. Dezember 2018 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins. Aus Sicht des Nachlassgerichts waren die Voraussetzungen erfüllt. Das Nachlassgericht willigte in die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins ein.

Die Patin der Erblasserin Paula P. legte gegen den Beschluss des Nachlassgericht Beschwerde ein und bekam Recht.

Grundsätzlich kann ein privatschriftliches Testament auch in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief enthalten sein. Es muss jedoch außer Zweifeln stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, der Brief könnte als Testament angesehen werden.

In vorliegenden Fall lehnte das OLG Stuttgart einen ernstlichen Testierwillen der Erblasserin jedoch ab. Aus Sicht des Gerichts genügt der Brief der Erblasserin vom 27.12.2019 den strengen Anforderungen des § 2247 BGB nicht und kann nicht als Testament angesehen werden.

Gegen die Annahme des Briefes als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung spricht auch die Vereinbarung eines Beurkundungstermins durch die Erblasserin. Der Umstand, dass die Erblasserin offenbar die Notwendigkeit eines solchen Schrittes sah, deutet darauf hin, dass sie davon ausging, bislang nicht rechtsgültig testiert zu haben.

Mangels eines wirksamen Testaments, ist die Patin Paula P. zur Alleinerbin von Helda H. geworden.

Fazit aus dem Fall:

Der Testierwille ist das entscheidende Element bei der Auslegung einer Erklärung, die als letztwillige Verfügung verstanden werden soll. Zweifel am Testierwillen können die Erklärung wirkungslos machen.

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