In einem von OLG Köln zu beurteilenden Fall sollte die ältere Tochter entsprechend dem Wunsch ihrer Mutter nach deren Tod ihr gesamtes Vermögen erben. Die jüngere Tochter sollte hingegen komplett leer ausgehen. Dies hatte die Mutter in einem notariellen Testament im Jahr 2010 so festgelegt.

Im Jahr 2019 starb die Mutter. Der gesamte Nachlass betrug 1.000.000 €.

Die jüngere Schwester machte gegen die ältere Schwester den Pflichtteilsanspruch in Höhe von 500.000 € geltend und bekam Recht.

Der Pflichtteil eines Abkömmlings besteht gemäß § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Der gesetzliche Erbteil bestimmt sich nach der jeweiligen Nachlassquote.

Um die Nachlassquote zu ermitteln, sind alle diejenigen Personen mitzuzählen, die hypothetisch erben würden. Die für die Bestimmung der Höhe des Pflichtteils gedanklich zugrunde zulegende Quote ist also die, nach der der Pflichtteilsberechtigte bei seiner fingierten gesetzlichen Erbfolge erben würde.

In vorliegenden Fall wären nur die beiden Schwestern die gesetzlichen Erben der Erblasserin geworden. Nachdem nur die ältere Schwester testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt wurde, stünde der jüngeren Schwester nur der Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbrechts, somit 250.000 € zu.

Doch wie kommt es nun dazu, dass der jüngeren Schwester 500.000 € zugesprochen wurden?

Bekanntlich liegt der Teufel im Detail. So war es auch in diesem Fall.

In einem gerichtlichen Vergleich aus dem Jahre 1985 verzichtete die ältere Schwester auf ihr gesetzliches Erbrecht. Aus diesem Grunde durfte sie gemäß § 2310 S 2 BGB bei der Ermittlung der Personen, die hypothetisch erben würden, nicht mitgezählt werden. Hypothetisch war die jüngere Schwester die Alleinerbin geworden und durfte als Pflichtteilsberechtigte die Hälfte des Nachlasses, somit 500.000 €, beanspruchen.

Entgegen der Auffassung der älteren Schwester ist der Erbverzicht aus dem Jahr 1985 nicht durch das notarielle Testament aus dem Jahr 2010, in dem sie zur Alleinerbin berufen worden ist, aufgehoben worden.

Grundsätzlich kann ein Erbverzicht aufgehoben werden. Hierfür ist aber ein entsprechender Vertrag zwischen den Beteiligten, die den Verzicht vereinbart haben, notwendig.

Dahingestellt bleiben kann, ob sich dem notariellen Vertrag vom 2010 ein konkludenter Willen der Erblasserin auf Aufhebung des Erbverzichts entnehmen lässt. Denn jedenfalls fehlt es an einer entsprechenden Erklärung der älteren Schwester. Eine solche hätte sie nur zu den Lebzeiten der Erblasserin abgeben können. Nach dem Tod der Erblasserin sei die Abgabe einer solchen Erklärung nicht mehr möglich, so das OLG Köln.

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