Angenommen, jedes Geschäft, das eine Familie als Ganzes betrifft, bedürfte der Zustimmung beider Ehepartner: Das Leben dieser Familie wäre ziemlich kompliziert. Bei jedem Einkauf, bei jeder Kontotransaktion müssten beide zuvor ihr Einverständnis gegeben haben. Unmöglich! Aus diesem Grund gibt es §1357 BGB. Dass dieser Paragraph auch seine Tücken haben kann, zeigte ein Fall, der vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt wurde (Urteil v. 28.02.2018 – XII ZR 94/17). Es ging dabei um eine Vollkaskoversicherung und die folgenschwere Kündigung dieses Vertrags.
Der §1357 BGB berechtigt einen Ehegatten, bestimmte Geschäfte mit Wirkung für den anderen zu erledigen – wenn diese Geschäfte den angemessenen Lebensbedarf der Familie decken. Doch wie weit geht dieses Recht, auch im Namen des Partners zu entscheiden? Ab wann ist die Zustimmung erforderlich? Der Fall des Paares zeigt, dass es auf den Einzelfall ankommt, wo die Grenze zu ziehen ist.
Das Familienauto des Paares war auf den Mann zugelassen, die Vollkaskoversicherung für das Fahrzeug lief auf die Frau. Die hatte der Mann jedoch gekündigt. Als der Pkw wenig später bei einem Unfall erheblich beschädigt wurde, forderte die Frau von der Versicherung dennoch die Reparaturkosten in Höhe von mehreren tausend Euro. Zu Unrecht, wie das Landesgericht Stuttgart entschied: Die Kündigung des Mannes sei wirksam und durch §1357 BGB gedeckt. Nach Ansicht des Gerichts sei der Abschluss einer solchen Versicherung ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie – und damit auch die Kündigung dieses Vertrags ohne Mitwirkung der Versicherungsnehmerin möglich. Das Oberlandesgericht teilte im Revisionsverfahren diese Sichtweise. Die Frau ging leer aus.
Gleichwohl wies das Gericht darauf hin, dass es sich hierbei um keinen Automatismus handle und Versicherungsverträge nicht pauschal durch §1357 BGB gedeckt seien. Welche Geschäfte nötig sind, um den Lebensstandard einer Familie zu decken, und wieweit damit der Spielraum eines Ehepartners reicht, sei individuell verschieden. Entscheidend seien Einkommen und Vermögen der Familie sowie der Lebenszuschnitt in der Öffentlichkeit.
Im konkreten Fall hielt es das Gericht angesichts der Lebenssituation der Familie für angemessen, für das Familienfahrzeug eine Vollkaskoversicherung abzuschließen. Eine Verständigung der Ehepartner – sowohl beim Vertragsabschluss als auch bei dessen Kündigung – war damit nicht erforderlich.