Verschwiegenheit ist oberstes Gebot: Wer seinem Anwalt etwas anvertraut, kann sicher sein, dass das auch geheim bleibt. Doch was passiert, wenn der Mandant stirbt? Wenn der Anwalt plötzlich zum wichtigen Zeugen wird, um einen Erbschaftsstreit zu klären? Um den letzten Willen des Mandanten richtig zu interpretieren? Das Oberlandesgericht (OLG) München hat nun in einem Urteil Position bezogen, wie weit das Zeugnisverweigerungsrecht eines Anwalts in einem solchen Fall geht (Zwischenurteil v. 24.10.2018 – 13 U 1223/15).

 Es ging um ein Reihenhaus und eine Garage. Und vor allem um die Frage, welcher Anteil den Erben davon jeweils zusteht. Zwar hatte der Verstorbene ein Testament hinterlassen. Allerdings war strittig, wie dies auszulegen ist. Teilungsanordnung oder Vorausvermächtnis? Was hatte der Erblasser festgelegt? Antworten auf diese Fragen, so hofften die Erben, könnte der Anwalt geben, der den Verstorben seinerzeit erbrechtlich beraten hatte. Doch der berief sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht und auf seine anwaltliche Schweigepflicht. Zu Unrecht? Das hatte das OLG München zu entscheiden.

Vorweg: Das Gericht erkennt an, dass die Schweigepflicht des Anwalts ein hohes Gut ist, über das man sich in einem Rechtsstreit nicht einfach hinwegsetzen kann. Auch dann nicht, wenn der Mandant gestorben ist. Denn die Schweigepflicht wirkt über den Tod hinaus. Das Recht zu entscheiden, wie mit den vertraulichen Informationen, die der Anwalt im Rahmen seiner Tätigkeit erhalten hat, zu verfahren ist, geht nicht auf die Erben über.

Letztlich muss also nur der Anwalt nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob er ein ihm anvertrautes Geheimnis in einem Rechtsstreit preisgibt, um damit dem Willen seines Mandanten Geltung zu verschaffen, oder ob er das Zeugnis verweigert. Entscheidend ist der mutmaßliche Wille des Erblassers.

Wie aber kann das Gericht prüfen, ob der Anwalt im Rahmen seines Ermessens handelt? Ob ein Anwalt – wie im vorliegenden Fall – mit der Verweigerung seiner Aussage tatsächlich dem Willen des Erblassers gerecht wird? Dazu muss der Anwalt konkret darlegen, worauf sich seine Zeugnisverweigerung stützt. Und genau hier sah das OLG den Knackpunkt in dem vorliegenden Fall.

Der Anwalt habe lediglich mit allgemeinen Erwägungen begründet, warum er sich auf seine Schweigepflicht beruft – zu floskelhaft und wenig konkret, wie das Gericht befand. Schließlich sei die Aussage des Anwalts in diesem Erbstreit ein entscheidendes Beweismittel. In einer solchen Konstellation sei der Zeuge gehalten, besonders sorgfältig abzuwägen, ob die Offenlegung des Geheimnisses nicht in dessen Interesse wäre.