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Grundsatz:
Beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages droht dem Arbeitnehmer eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I. Beim Aufhebungsvertrag löst der Arbeitnehmer durch seine Unterschrift das Arbeitsverhältnis freiwillig. Dieses aktive Lösen des Beschäftigungsverhältnisses stellt nach dem Gesetz ein versicherungswidriges Verhalten dar, weshalb eine Sperrzeit verhängt wird. Es bleibt noch zu erwähnen, dass Sperrzeit auch dann verhängt wird, wenn der Arbeitnehmer in anderer Weise durch vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verhalten die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.

Ausnahme:
Die Sperrzeit wird dann nicht verhängt, wenn der Arbeitnehmer für sein Verhalten einen wichtigen Grund hatte, er also „entschuldigt“ ist.

Einzelfall:
Über den wichtigen Grund entscheiden die Gerichte vom Fall zu Fall (sog. Einzelfallentscheidung). Das Bundessozialgericht sagt dazu etwas verklausuliert: Ein wichtiger Grund ist bei Umständen anzunehmen, unter denen nach verständiger Abwägung der Interessen der Versichertengemeinschaft dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar war, weil sonst seine Interessen in unbilliger Weise geschädigt würden.

Anweisung:
Zur praktischen Bearbeitungshilfe und Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben für die entscheidungsbefugten Sachbearbeiter hat die Agentur für Arbeit eine umfangreiche Dienstanweisung erlassen, die regelmäßig aktualisiert wird und ausführliche Regelungen dazu enthält, in welchen Konstellationen ein wichtiger Grund anzunehmen ist. Das bedeutet, jeder Sachbearbeiter schaut in die Dienstanweisung der Arbeitsagentur rein, bevor er einen Fall prüft und er entscheidet danach. Diese Dienstanweisung ist zwar rechtlich irrelevant. Sie hat aber faktisch eine große Macht. Denn der Sachbearbeiter befolgt streng diese Anweisung, so dass dem Arbeitnehmer nichts anderes übrig bleibt, als gegen diese Entscheidung gerichtlich vorzugehen. Das kostet Geld und ist aufwändig. Deshalb ist es wichtig, die Dienstanweisungen der Agentur der Arbeit zu kennen.

Vorgaben:
Bisherige Dienstanweisung: Ein Aufhebungsvertrag löste nach der alten Dienstanweisung nur dann keine Sperrzeit aus, wenn dem Arbeitnehmer zuvor eine betriebsbedingte Kündigung in Aussicht gestellt worden war, im Aufhebungsvertrag die ordentliche Kündigungsfrist berücksichtig wurde und sich die angedrohte Kündigung als sozial gerechtfertigt erwiesen hätte. Ob die Sozialauswahl richtig getroffen wurde, war eine schwierige Prüfung, welche stark variierte, je nachdem welche Agentur für Arbeit darüber zu entscheiden hatte. Auf die soziale Auswahl kam es aber bei der Dienstanweisung gar nicht an, wenn bei Wahrung der übrigen Voraussetzungen an den Arbeitnehmer eine Abfindung mit einem Faktor von mindestens 0,25 Bruttomonatsgehältern je Beschäftigungsjahr, aber nicht mehr als 0,5 Bruttomonatsgehälter gezahlt wurde. Die Dienstanweisung ließ personenbedingte Gründe nur ausreichen, wenn der Arbeitnehmer die Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben konnte, wofür in der Praxis der Nachweis durch ärztliches Attest erforderlich war. Arbeitsgerichtliche Vergleiche konnten hingegen nie eine Sperrzeit hervorrufen.

Aktualisierte Dienstanweisung:
Die neue Dienstanweisung weicht nun hiervon ab und führt zusammenfassend aus, dass ein „wichtiger Grund bei Eigenlösung des Beschäftigungsverhältnisses und gleichzeitig drohender Arbeitgeberkündigung (…) auch vorliegt, wenn die drohende Arbeitgeberkündigung auf personenbezogene (nicht aber verhaltensbedingte) Gründe gestützt würde“. Zudem wird „an der Untergrenze von 0,25 Monatsgehältern im Zusammenhang mit der Zahlung einer Abfindung (…) nicht mehr festgehalten.“ Ein wichtiger Grund, der einen Aufhebungsvertrag rechtfertigt, liegt daher nunmehr vor, wenn

• eine Kündigung durch den Arbeitgeber mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden ist,
• die drohende Arbeitgeberkündigung auf betriebliche oder personenbezogene (nicht aber verhaltensbedingte) Gründe gestützt würde,
• im Falle der Arbeitgeberkündigung die Kündigungsfrist eingehalten würde,
• der Arbeitnehmer nicht unkündbar war
• und in Anlehnung an § 1 a KSchG eine Abfindung von bis zu 0,5 Monatsgehältern für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitnehmer gezahlt wird.

Wird eine solche Abfindung gezahlt, kommt es nicht darauf an, ob die drohende Arbeitgeberkündigung rechtmäßig ist. Wird eine höhere Abfindung gezahlt, „kommt es darauf an, dass die drohende Kündigung rechtmäßig wäre“, wozu weiterhin eine volle Prüfung der sozialen Rechtfertigung, insbesondere der Sozialauswahl durch die Agentur für Arbeit, erfolgen soll.

Fazit:
Nach der neuen Fassung der Dienstanweisung vergrößert sich der Gestaltungspielraum bei Aufhebungsverträgen. Sperrzeitunschädliche Aufhebungsverträge zur Vermeidung von krankheitsbedingten Kündigungen sind ebenso möglich wie betriebliche Aufhebungen ohne Abfindungszahlung. Zweifelnden Arbeitnehmern empfehle ich zudem weiterhin, den Entwurf des Aufhebungsvertrags vor Unterzeichnung der Agentur für Arbeit vorzulegen und sich dessen Sperrzeitunschädlichkeit bestätigen zu lassen.