Nachehelicher Unterhalt

Verwirkung trotz langer Ehedauer!

Das Fortbestehen einer verfestigten neuen Lebensbeziehung durch die Unterhaltsgläubigerin ist keine Voraussetzung für die Verwirkung des Unterhaltsanspruches im Einzelfall.

Der Unterhaltschuldner kann auch im Fall langjähriger Ehedauer von der Zahlung nachehelichen Unterhalts befreit werden, wenn der bedürftige Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist oder eingegangen war.

Den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist gemäß § 1579 BGB u.a. dann zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt.

In einem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall hat der Ehemann (Antragsteller) die Aufhebung des Unterhaltstitels, in dem er seiner geschiedenen Ehefrau (Antragsgegnerin) zur Leistung des nachehelichen Unterhalts verpflichtet war, beantragt.

Bis zur Zustellung des Scheidungsantrages dauerte die Ehe der Beteiligten 26 Jahre. Seit Rechtskraft der Scheidung leistete der Antragsteller 9 Jahre nachehelichen Unterhalt. Die gemeinsamen Kinder der Parteien waren zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung volljährig.

Als Grund für die Versagung des nachehelichen Unterhalts gab der Antragssteller an, dass die Antragsgegnerin seit zwei Jahren in einer verfestigten Lebensgemeinschaft mit ihrem neuen Lebensgefährten lebt.

Die Antragsgegnerin gab zu, in den letzten zwei Jahren in einer verfestigten Lebensgemeinschaft mit ihrem neuen Lebenspartner gelebt zu haben. Zum Zeitpunkt, zu dem sie zum Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt aufgefordert wurde, war die Lebensgemeinschaft mit ihrem neuen Lebenspartners jedoch nicht mehr verfestigt.

Das erkennende Gericht führte aus, dass der Unterhaltsanspruch nach § 1579 Nr. 2 BGB nur zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen ist, wenn der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft „lebt“. Die Formulierung des Verbs „lebt“ im Präsens beruht darauf, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft weiter andauern oder auch enden kann. Der Unterhaltsanspruch ist wegen Verwirkung nur zu beschränken oder zu versagen, so lange die Lebensgemeinschaft andauert.

Hat der Unterhaltsberechtigte seine Beziehung zu seinem Lebensgefährten zu dem Zeitpunkt gelockert, zu dem der Unterhaltspflichtige ihn zum Verzicht auf den Unterhalt wegen Verfestigung einer Lebensgemeinschaft aufgefordert hat, so führt die Lockerung der neuen Lebensgemeinschaft oder ihre Auflösung nicht automatisch zur Wiederherstellung der unterhaltsrechtlichen Lage, die vor dem Eintritt der verfestigten Lebensgemeinschaft herrschte (vgl. FamRZ 2013, 475).

Andererseits ist eine umfassende Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der das Maß der nachehelichen Solidarität eine entscheidende Rolle spielt. Denn der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt beruht auf den Grundsätzen der nachehelichen Solidarität. Der nacheheliche Unterhalt wird u. a geleistet, um bei dem Unterhaltsberechtigten die sog. ehebedingten Nachteile auszugleichen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatten z.B. während der Ehe seine Erwerbstätigkeit aufgegeben hatte, um den gemeinsamen Haushalt zu führend oder die gemeinsamen Kinder zu betreuen.

Wendet sich ein unterhaltsberechtigter Ehegatte einem neuen Partner zu, löst er sich aus der nachehelichen Solidarität heraus und gibt zu erkennen, dass er diese nicht mehr benötigt. Fordert er gleichzeitig den nachehelichen Unterhalt von seinem früheren Partner – ist solches Verhalten des unterhaltsberechtigten Ehegatten widersprüchlich iSd § 1579 Nr. 2 BGB und führt zur Verwirkung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt.

Ein nach § 1579 Nr. 2 BGB verwirkter Anspruch auf nachehelichen Unterhalt kann nach der Auflösung einer verfestigten Lebensgemeinschaft nur in Form des Betreuungsunterhalts aufleben, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte ein minderjähriges gemeinsames Kind betreut oder besondere Umstände vorliegen, die eine fortdauernde Unterhaltspflicht ausnahmsweise rechtfertigen können.

In dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall wurde dem Antrag des Antragstellers entsprochen und die Verwirkung des Anspruchs auf nichtehelichen Unterhalt bejaht.

Frau Rechtsanwältin Oleksandra Cofala meint:

In seiner Entscheidung löst sich das OLG Koblenz vom Wortlaut des § 1579 Nr. 2 BGB und nimmt eine differenzierte Betrachtung des Einzelfalls vor. In der Entscheidung des erkennenden Gerichts ist eine Änderung der Rechtsprechung zu erkennen – um die Verwirkung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt nach § 1579 Nr. 2 BGB zu bejahen, muss der Berechtigte zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht unbedingt in einer verfestigten Lebensgemeinschaft leben; es reicht aus, wenn er in einer solchen lebte.